Johann Benedikt Auer
Über keinen anderen Passeirer Barockkünstler berichtet Beda Weber derart ausführlich wie über Nikolaus Auers zweitgeborenen Sohn Johann Benedikt Auer (1722-1792). Nach einer ersten Lehre bei seinem Vater habe sich der 14-jährige Johann Benedikt Auer für drei Jahre nach Innsbruck zu einem Miniatur- und Wappenmaler begeben. Bei dessen Werkstattnachfolger habe er die Bildnismalerei erlernt. Nach Beda Weber ist Auer von Innsbruck zunächst nach Trient, dann nach Verona und schließlich nach Venedig weitergezogen, wobei er sein Einkommen jeweils mit Porträtaufträgen bestritten hat. Nachdem er bereits in Verona die „Gelegenheit“ erhalten habe, „bei einem italienischen Meister Manches für seine Kunst zu lernen“, habe er sich in Venedig vier Jahre lang „dem emsigen Studium“ hingegeben und dabei eine „große Fertigkeit“ als Kupferstecher und Miniaturmaler erlangt. Als Lehrer beziehungsweise Förderer Auers in der Lagunenstadt nennt Beda Weber den Kupferstecher und Verleger Joseph Wagner, die Pastellmalerin Rosalba Carriera sowie den Ölmaler und Freskanten Jacopo Amigoni. In der Folge habe Auer mehrere Jahre „bei den Jesuiten in Bologna gearbeitet“.
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts lässt sich das Leben und Schaffen des Johann Benedikt Auer anhand archvalischer Quellen sowie erhaltener Werke nachvollziehen. Im Jahr 1751 wurde ihm die Erlaubnis erteilt, sich in Bozen als Kupferstecher und Miniaturmaler niederzulassen. In dem entsprechenden Ansuchen an den Bozner Stadtrat gab Auer an, diese beiden Künste in Venedig erlernt zu haben und bereits seit mehreren Wochen für den Bozner Buchdrucker Carl Joseph Weiss als Kupferstecher zu arbeiten. Nachdem im Jahr 1753 sowohl sein Vater Nikolaus als auch sein jüngerer Bruder Nikolaus Ignaz gestorben waren, kehrte Johann Benedikt Auer nach St. Martin in Passeier zurück. Er bezog das „Malerhaus“ und führte die väterliche Werkstatt weiter. Joseph Haller vollendete bei ihm seine bei dessen Vater begonnene Ausbildung.
Auch noch nach seiner Rückkehr ins Passeiertal betätigte sich Johann Benedikt Auer als Kupferstecher und Miniaturmaler. Anlässlich der Überführung von Reliquien des seligen Heinrich von Bozen von Treviso nach Bozen im Jahr 1759 schuf er einen Kupferstich, auf dem ein gerahmtes Bild mit dem Seligen, der von einer Gruppe von Notleidenden als Fürbitter angerufen wird, über einer Ansicht der Stadt Bozen schwebt. Das „Bild im Bild“ ist dabei eng an Johann Georg Bergmüllers Blatt des Antoniusaltars der ehemaligen Benediktinerkirche St. Georg in Ochsenhausen in Oberschwaben von ca. 1717/18 angelehnt. Johann Benedikt Auer dürfte eine Kopie von Bergmüllers Gemälde vorgelegen haben, die sein Vater Nikolaus von dessen Studienaufenthalt in Süddeutschland mitgebracht hatte. Auf einem kleinteiligen, vielfigurigen Gemälde hat Johann Benedikt Auer die Bozner Reliquienprozession vom 21. Oktober 1759 dokumentiert. Von der Stadt Meran liegt eine gestochene, von der Stadt Bozen und der Ortschaft Gries jeweils eine gemalte Ansicht von der Hand Auers vor. Für mehrere Aufnahmediplome von Meraner Bruderschaften, die bei Carl Joseph Weiss in Bozen gedruckt wurden, schuf Auer, zum Teil nach Entwürfen anderer Künstler, religiöse Kupferstiche.
Nach Beda Weber fertigte Johann Benedikt Auer darüber hinaus „sehr viele gesuchte Miniaturstücke [...] auf Pergament, Elfenbein u[nd] d[er]gl[eichen] zu kostbaren und gesuchten Geschenken“, die durch die Vermittlung eines Angehörigen der Bozner Kaufmannsfamilie Semblrock „in weit entfernte Gegenden, namentlich nach Italien“ gelangten. Dabei habe er besonders für „die Jesuiten und andere geistliche Genossenschaften“ gearbeitet.
Dagegen scheint sich Johann Benedikt Auer, der in seinem Ansuchen um die Bozner „Inwohnerschaft“ seine fehlende Erfahrung auf dem Gebiet der „ordinari mahler-kunst“ eingerämt hatte, nur ganz vereinzelt als Altarmaler betätigt zu haben. In Zusammenarbeit mit seinem Bruder Nikolaus Ignaz Auer schuf er im Jahr 1752 das Blatt des Magdalenenaltars der Spitalkirche von Latsch im Vinschgau. Johann Benedikt Auers auf 1761 datiertes Blatt des ehemaligen Rosenkranzaltars der Pfarrkirche von St. Leonhard in Passeier enthält eine Reminiszenz an seinen Venedig-Aufenthalt: Das Motiv der auf einer Wolkenbank stehenden Maria mit dem Jesuskind, deren Mantel von Engelsputten emporgehalten wird, ist einem Altargemälde des Giambattista Piazzetta in der Kirche Santa Maria della Consolazione (Santa Maria della Fava) entlehnt.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwangen Johann Benedikt Auer zum Verkauf des „Malerhauses“. Nach Beda Weber hatte er mit seiner Ehefrau Katharina Geyer elf Kinder, von denen sechs „schon in der Jugend starben“. Von den vier überlebenden Söhnen seinen drei „in die weite Welt [ge]zogen“. Der 1761 geborene Benedikt Anton Auer erlernte von seinem Vater das Malerhandwerk und führte nach dessen Tod den familiären Betrieb weiter.
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