Benedikt Anton Auer
Von den vier Söhnen des Johann Benedikt Auer, die das Erwachsenenalter erreichten, verblieb nach Beda Weber einzig der 1761 geborene Benedikt Anton in seinem Heimatort St. Martin in Passeier. Er wurde wohl von seinem Vater zum Maler ausgebildet und übernahm nach dessen Tod im Jahr 1792 dessen Werkstatt. Nach Beda Weber hat Benedikt Anton Auer an „alle(n) Befreiungskriege(n)“ (gegen die Franzosen) „von 1796 bis 1814“ teilgenommen, „größtentheils als Lieutenant der Passeirerschützenkompagnie“. „Besonders zeichnete er sich bei Rafenstein ob Bozen im Jahre 1797 aus, in einer Schanze, die von den Franzosen vergeblich gestürmt ward.“ Im Jahr 1808 ist Auer als Lehrer eines gewissen Michael Verdorfer dokumentiert, dem er auch mehrere Kupferstiche verkauft hat. Als Beda Weber den rund 80-jährigen Maler im Jahr 1841 in St. Martin besuchte, um Nachrichten für sein Buch über das Passeiertal zu sammeln, traf er einen Mann, der äußerlich „abgelebt“ schien, in dem jedoch noch ein „thätiger Geist“ lebte – ebenso ein „erstaunliches Gedächtniß, und der schöne Stolz auf den Ruhm seines Hauses“. Auer hatte keine männlichen Nachkommen, seine Tochter betrieb ein kleines „Melblergeschäft“ (Mehlgeschäft). Der Maler bot Beda Weber zum Preis von 24 Gulden den „Nachlaß seiner kunstliebenden Familie“ an, bestehend aus „allerlei Zeichnungen, Skizzen, Kupferstichen und einigen Bildern“, die, so Beda Weber, „in ihrer Gesammtheit für die tirolische Kunstgeschichte von Werth sind“. 1845 starb Auer im Alter von 83 Jahren als letzter Erbe der Passeirer Malerschule, der künstlerische Nachlass seiner Familie wurde zerstreut.
Benedikt Anton Auers erhaltenes Œuvre wurde bislang noch nicht systematisch erforscht. Unter den Werken, die von dem Maler signiert sind oder ihm mit Sicherheit zugeschrieben werden können, finden sich Altargemälde, Fahnenblätter, moralisierende Lehrbilder und Votivtafeln in bzw. aus verschiedenen Kirchen und Kapellen das Passeiertals, aber auch eine Aquarellvedute und ein Fassadenfresko. Im Unterschied zu den am Augsburger Spätbarock bzw. am venezianischen Rokoko inspirierten Arbeiten von Nikolaus und Johann Benedikt Auer zeigen die Werke von deren Enkel bzw. Sohn mit ihrer präzisen Zeichnung und betonten Lokalfarbigkeit Merkmale eines ins Volkstümliche übersetzten Klassizismus. Aufgrund der wiederholten Bezugnahme auf die Franzosenkriege sowie der zahlreichen Darstellungen zeitgenössischer Trachten und lokaler Bräuche sind die Arbeiten des Benedikt Anton Auer vor allem auch kulturhistorisch von Interesse.
Das früheste datierte und zugleich wohl qualitätsvollste Altargemälde von der Hand Auers – die Tafel des Hochaltars der Almkapelle St. Anna im Pfistrad-Tal bei St. Leonhard in Passeier von 1796 – zeigt die Patrone verschiedener Pfarren des Passeiertals sowie beliebte bäuerliche Schutzheilige, die das auf der Pfistrad-Alm weidende Vieh dem Schutz Marias bzw. der Heiligen Dreifaltigkeit empfehlen. Die St. Hippolyth-Kapelle auf Glaiten oberhalb von St. Leonhard birgt ein auf 1809 datiertes Gemälde mit dem Jüngsten Gericht. Für das Heilig-Kreuz-Kirchlein unter der Jaufenburg bei St. Leonhard schuf Auer im Jahr 1816 eine Tafel, auf welcher der „Weg zum Himmel“ in didaktischer Absicht mit dem „Weg zur Hölle“ konfrontiert wird (heute St. Leonhard, MuseumPasseier): Während die zeitgenössisch gekleideten Bauern und Bürger auf der linken Seite des Bildes den steinigen, dornigen Weg der Christusnachfolge eingeschlagen haben, geben sich die Bauern auf der rechten Seite allerlei „teuflischen“ Vergnügungen wie Sauferei, Tanz und Kartenspiel hin.
Für die Pfarrkirche von St. Martin in Passeier schuf Auer im Jahr 1801 nicht nur das von Peter Illmer, Johann Galler und Peter Verdorfer gestiftete Herz-Jesu-Bild, sondern auch ein Fahnenblatt, auf dem er die Darstellungen der Herzen Jesu und Mariae mit Szenen aus dem Verteidigungskrieg gegen die von Süden nach Südtirol vordringenden Franzosen in den Jahren 1796-99 kombiniert hat. Das Herz-Jesu-Bild und das Fahnenblatt erinnern an das „Herz-Jesu-Gelöbnis“ vom 1. Juni 1796, mit dem die Tiroler Landstände das Land Tirol angesichts der militärischen Bedrohung unter den Schutz des Herzens Jesu gestellt hatten. Auers Herz-Jesu-Darstellungen sind eng an Pompeo Batonis Herz-Jesu-Bild in der Jesuitenkirche Il Gesù in Rom von 1767 angelehnt. Ein auf 1809 datiertes Votivbild im Besitz der Pfarrkirche von Moos in Passeier entstand wohl im Kontext einer im Jahr des Tiroler Freiheitskampfes unternommenen Wallfahrt von Moos über den Jaufenpass nach Maria Trens südlich von Sterzing. Auf einem Aquarell aus dem Jahr 1810 schilderte Auer das Einrücken der Franzosen in St. Leonhard (St. Leonhard, MuseumPasseier).
Ein Fahnenblatt im Besitz der Pfarrkirche zu den Hll. Ursula und Sebastian in Platt, das Auer im Jahr 1804 bemalt hat, zeigt die Kirchenpatronin Ursula bzw. den Ordensgründer Benedikt und dessen Schwester Scholastika. Bei einer der zwei Seiten des auf 1823 datierten Blattes der Prozessionsfahne der Messengesellschaft von St. Martin handelt es sich um ein letztes Bildzeugnis für die nur fünf Jahre später auf bischöfliche Anordnung eingestellte Verehrung der in der Pfarrkirche von St. Martin verwahrten Heilig-Blut-Reliquie. Die Darstellung des „Heiligen Wandels“, der Rückkehr der Heiligen Familie aus Ägpten bzw. aus dem Tempel, auf der anderen Seite des Fahnenblattes ist eng mit dem themengleichen Fassadenfresko am Steckholzgütl (Speckholzerhaus) in St. Martin verwandt, das Auer wohl etwa zeitgleich ausgeführt hat.
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